Die Entstehung und Zukunft der Vision Pro, erzählt von Vanity Fair

Im Vorfeld des Vision-Pro-Marktstarts konnte Nick Bilton von Vanity Fair das Gerät schon mehrere Male ausprobieren sowie zuhause nutzen. Außerdem war er bei Tim Cook im Apple Park zu Besuch. Der durch die verschiedenen Erfahrungen entstandene Bericht zeigt auf, wie und wie lange schon am Spatial Computer getüftelt wurde, der ab heute in den USA gekauft und genutzt werden kann. Zudem wird dessen Zukunft skizziert und auf eine mögliche Massennutzung eingegangen. Im Folgenden habe ich euch die wichtigsten Inhalte übersetzt zusammengefasst; den langen Artikel selber lesen könnt ihr auf englisch bei Vanity Fair.

Vanity Fair war nicht nur bei Tim Cook im Apple Park zu Besuch. Der Journalist Nick Bilton ließ sich die Vision Pro auch mehrfach vorführen, bevor er das VR-Headset zuhause testen sowie seinen Artikel damit schreiben konnte. Die Technik sei revolutionär, das Fazit dazu fällt aber düster aus. Foto: Norman Jean Roy / Vanity Fair
Vanity Fair war nicht nur bei Tim Cook im Apple Park zu Besuch. Der Journalist Nick Bilton ließ sich die Vision Pro auch mehrfach vorführen, bevor er das VR-Headset zuhause testen sowie seinen Artikel damit schreiben konnte. Die Technik sei revolutionär, das Fazit dazu fällt aber düster aus. Foto: Norman Jean Roy / Vanity Fair

Ein monströser Apparat in einem geheimen Gebäude

Am Anfang des Beitrags wird eine Begebenheit nacherzählt, die sich vor sechs, sieben, vielleicht acht Jahren abspielte. Jedenfalls noch vor dem Bau des Apple Park. Damals ging Tim Cook in ein unscheinbares Gebäude am Rande des Infinite Loop, dem alten Hauptsitz Apples. Die Fenster dieses Gebäudes waren geschwärzt und Zutritt bekam nur autorisiertes Personal, durch mehrere Türen, die sich hinter und vor einem schlossen. Das soll der magische Ort gewesen sein, an dem bereits der iPod und das iPhone entwickelt wurden.

Tim Cook betritt die Räumlichkeiten des Industrie-Design-Teams, das gerade an etwas arbeitet, von dessen Existenz so gut wie niemand sonst bei Apple weiß. Er nimmt Platz und vor seinen Augen wird ein „Monster“ von einem technischen Gerät aufgebaut, ein enormer „Apparat“. Tim Cook schaut auf mehrere, geschichtete Displays, hört das Gerät starten, seine Lüfter dröhnen. Und dann findet er sich auf dem Mond wieder, gemeinsam mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin. Und gleichzeitig ist er in dem geheimen Raum, er kann das Design-Team und seine eigenen Hände sehen – und er weiß: das ist die Zukunft.

Vom Monster-Apparat zur Matrix-Skibrille

Der genaue Werdegang und die über die Jahre entwickelten Zwischenschritte sowie Prototypen werden in dem Artikel von Vanity Fair leider nicht beschrieben. Stattdessen geht es direkt mit dem fertigen Produkt weiter. Die verschiedenen Regisseure, Journalisten und weiteren Personen, welche die Vision Pro bereits ausprobieren konnten und die Nick Bilton zu ihrem Eindruck davon befragte, gaben alle überschwängliches Lob ab. Und zusammenfassend beschreibt er dann auch noch, dass der Monster-Apparat von damals nun so aussieht, als würde man in der Matrix Ski fahren wollen. Dann geht es auch schon an den Praxistest.

Nach zehn Jahren VR ist kein Interesse mehr übrig. Oder doch?

Der Einstieg in den Abschnitt zu den eigenen Erfahrungen mit der Apple Vision Pro ist eher pessimistisch gestaltet. Nick Bilton berichtet davon, dass er bereits 2013 das erste Mal das Oculus VR-Headset ausprobiert hat. Daran schlossen sich Erfahrungen mit dessen Weiterentwicklungen und Headsets von anderen Firmen an – Quest, Quest 2, Quest 3, Vive, Rift, etc. Keines konnte ihn überzeugen und in jedem fühlte er nicht nur Klaustrophobie, sondern sich auch von seiner realen Umwelt abgeschnitten. Keines der Headsets nutzte er mehr als zwei- oder dreimal.

Anschließend berichtet er vom ersten Vision-Pro-Test, der für ihn im August 2023 stattfand. Er ging ohne Interesse und Erwartungen an die Sache heran und fühlte sich nach dem ersten Aufsetzen von Apples VR-Brille genauso wie mit den anderen Headsets. Doch dann konnte er den Raum um sich herum sehen sowie seine eigenen Hände und den Rest seines Körpers. Das Betriebssystem visionOS zeigte sich, er konnte Apps mit den Händen bedienen, Spatial Videos ansehen und so weiter. Und nun lässt er sich auch zu Lobpreisungen hinreißen: „Das war soweit von einem VR-Headset entfernt wie ein Schwinn Kinderfahrrad von einem Gulfstream G800 Privatjet.“

Der zweite Test mit einem echten Matrix-Moment

Nick Bilton hat sich weder die Keynote mit der Vorstellung der Vision Pro noch andere Präsentationen, Besprechungen oder ähnliches Material zu Apples VR-Headset angeschaut. Das erklärt auch seine Verwirrung im zweiten Test, der ein paar Monate nach dem ersten stattfand. Er setzte abermals die Vision Pro auf und sah sich anschließend mit zwei Apple-Angestellten in einem Raum sitzend. Vor ihm stand eine Tasse Tee, von der er einen Schluck nahm. Dabei flackerte einer seiner Finger.

Und erst da hat er realisiert, dass die Vision Pro kein echtes AR (Augmented Reality) zeigt, also die echte Welt durch Glas mit den digitalen Inhalten darüber projiziert. Sondern Kamera-Aufnahmen, die kombiniert mit visionOS auf Bildschirmen angezeigt werden. Auf Nachfrage bestätigten ihm dann die zwei Apple-Angestellten, dass er „in Echtzeit“ verarbeitete Kamerainformationen sieht. Aufgrund der hohen Auflösung (pro Auge mehr als 4K, insgesamt 23 Millionen Pixel), die er so bei noch keinem VR-Headset gesehen hat, hatte er das vorher nicht mitbekommen.

James Cameron sagt, das sei revolutionär

Einer der Regisseure, mit denen für den Vanity-Fair-Beitrag über die Vision Pro gesprochen wurde, ist James Cameron. Dieser sagte zu der hohen Auflösung der Displays und der Echtzeitberechnung der Kameraaufnahmen sowie VR-Inhalte: „Ich denke, es ist nicht evolutionär; es ist revolutionär. Und das sage ich als jemand, der schon seit 18 Jahren mit VR arbeitet.“ Im wahrsten Sinne des Wortes ist es die große Bildauflösung (und natürlich die schnelle Reaktion von R1- und M2-Chip für die Bildprojektion), welche in seinen Augen „jedes Problem löst“.

Vom Aquarium zur Tauchbrille zur Sonnenbrille

Bei der gemeinsamen Betrachtung einer auseinander gebauten Apple Vision Pro wurde Nick Bilton von Richard Howarth, Apples Vice President of Industrial Design, erklärt, dass dort der M2 säße, da der R1 sitze, es so gut wie keine Latenz gäbe, 5.000 Patente hier, sieben Jahre Entwicklung dort… Aber dass das Gerät State-of-the-Art wäre, auch wenn es im Grunde noch viel zu groß und viel zu schwer sei. Richard Howarth frage sich, so wird es beschrieben, ob Steve Jobs das Gerät ins Wasser geschmissen hätte, um dann zu sagen: „Seht ihr die Luftblasen? Macht es kleiner!“ – denn so soll es bei der Entwicklung des iPod geschehen sein.

Die Skibrille-Optik und das Gewicht von bis zu 650 g (plus 353 g für den externen Akku) sind Hauptgründe dafür, dass die Vision Pro nicht so bald zu einem Massenprodukt werden wird. Dazu hat Carolina Cruz-Neira, eine Pionierin der virtuellen Realität, gesagt: „Ich arbeite seit über 30 Jahren im Bereich VR, und solange wir die Tauchbrille nicht vom Gesicht bekommen und sie nicht unauffälliger machen, wird sich diese Technologie nicht durchsetzen. Die Größe und das Gewicht dieser Tauchbrillen werden nicht binnen eines Jahres gelöst werden.“ 

Es dauert also noch, bis man von Apple eine echte AR-Brille im Kompaktformat bekommen kann. Analysten meinten aber, dort geht die Reise hin, zu einem Vision-Modell im Design einer Sonnenbrille. Und erst dann kann man erwarten, dass nicht nur die Fachpresse und unverbesserliche Apple-Fans die Geräte kaufen, sondern sie bei einer großen Zielgruppe das iPhone und / oder den Mac ablösen können.

Apple und seine Geräte: Drogendealer statt Entzugsklinik?

Nick Bilton von Vanity Fair hat die Vision Pro nun mehrere Wochen lang genutzt, also viel länger als alle anderen VR-Headset zuvor zusammengerechnet. Er hat damit Filme und Serien konsumiert, Spatial Videos geschaut, Videospiele gespielt, den Beitrag für das Magazin geschrieben und viel mehr. Neben ein paar kleinen Problemen gab es vor allem Begeisterung bei ihm.

Das größte Problem, das er aber dabei erkannt hat, ist weder die Größe oder das Gewicht des Geräts noch die bisher fehlenden großen Apps (Netflix, YouTube, etc.) oder der noch viel zu hohe Preis (ab 3.499 US-Dollar). Das größte Problem ist das Verlangen nach der Nutzung des Geräts und die Tatsache, dass sich iPhone, Laptop, Fernseher und sogar die echte Welt ohne die Vision Pro flach und langweilig anfühlen.

Apple verspricht mit seinen Geräten und Services mehr Kreativität, Produktivität, Achtsamkeit und Problemlösungen. Aber im Grunde machen auch diese Geräte abhängig, lassen Menschen genauso durch Social Media scrollen und sind für die Arbeit nötig. Genauso wie jetzt alle ein Smartphone haben und dauernd nutzen, könnte eine optimierte „Vision“-Brille irgendwann alle vermittels Augmented Reality mit Dopamin-Schüben versorgen.

Ein Silicon-Valley-Analyst sagte in diesem Zusammenhang: „Apple wirkt immer mehr wie ein Technik-Fentanyl-Dealer, der sich als Reha-Anbieter ausgibt.“ Nick Bilton schließt den Artikel mit der Aussicht, dass wir alle dem Zauber der Vision-Produktreihe verfallen werden, egal ob wir nun freudig darauf zu rennen oder unter Protest und um uns tretend hineingezogen werden. Ein interessantes Fazit, auf das wir in ein paar Jahren vielleicht noch zurückgreifen müssen.

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